Wer „négy“ und „egy“ phonetisch nicht klar unterscheiden kann, der könnte natürlich auch einfach an der Zapfsäule „három“ tanken… Viel nachhaltiger wäre es allerdings, einfach seine ungarische Aussprache zu verbessern!
Kürzlich mussten zwei Bekannte von mir hier in Ungarn kurz hintereinander ins Krankenhaus.
Die eine wurde freundlich und zuvorkommend behandelt, die andere eher abweisend – vom selben Personal. Und warum? Nun, die eine hatte gerade ein paar Brocken Ungarisch gelernt und versuchte sich darin, während die andere – wie leider viele Deutsche hier – fälschlicherweise erwartete, allein mit Deutsch durchzukommen.
Sprachliche Integration
Deshalb betone ich immer wieder, wie wichtig es für uns ist, die Landessprache zu lernen. Denn die Menschen hier sind viel offener und freundlicher, wenn sie sehen, dass man sich auch sprachlich um Integration bemüht.
Die Sprache ist auch gar nicht so schwer, auch wenn sich die Ungarn gerne damit brüsten, eine der schwersten Sprachen zu haben. Aber wenn man sich näher damit beschäftigt, lernt man eine interessante und sehr logische Sprache kennen.
Auf die richtige Aussprache kommt es an!
Das Wichtigste ist die richtige Aussprache. Das merkte ich unter anderem bei einem meiner ersten Versuche an der Tankstelle, wo ich stolz die neu gelernten Zahlen anwenden wollte. An der Kasse zeigte ich mit dem Finger nach draußen und nannte die Nummer der Zapfsäule: „négy“ (vier). Leider ignorierte ich den Akzent auf dem „e“, und meine „vier“ wurde plötzlich phonetisch der „egy“ (eins) zum Verwechseln ähnlich.
So bekam ich eine Rechnung über 150 Liter LKW-Diesel vorgelegt. „Nein! Nem! Falsch!“ Wie ein Schulbub formte ich dann mit den Fingern eine „vier“ und merkte, wie wichtig eine saubere Aussprache ist.
Wie Waggons einer Lokomotive
Für uns „Indogermanen“ sehr ungewöhnlich sind die vielen Suffixe, also die angehängten Silben, die fast die ganze Grammatik des Ungarischen ausmachen. Im Deutschen haben wir dafür eigene Wörter, während im Ungarischen alles an den Wortstamm angehängt wird, wie die Waggons an die Lokomotive.
Es gibt Suffixe für die Konjugation, für die Deklination, für den Plural, für die Zeiten oder auch für die Präpositionen. Auch die Besitzverhältnisse werden auf diese Weise geklärt. Eine Freundin meinte kürzlich zu mir, das klinge ja wie Gemecker! Ja, durchaus: „Kind“ zum Beispiel heißt „gyerek“. In der Mehrzahl wird ein „ek“ angehängt und schon sind wir bei „gyerekek“. „Für die Kinder“ heißt wiederum „gyerekeknek“ und immer so weiter.
Nur eins!
Was das Ungarische aber viel einfacher macht: Es gibt nur ein Geschlecht – also zumindest in der Sprache! Im Volk gibt es deren zwei, aber auch nur zwei! Das Deutsche kennt drei Geschlechter – in der Sprache! Sonst kennt man im woken Deutschland inzwischen weit über 70!
Aber in der Sprache gibt es nur: der, die und das. Und selbst das ist schon kompliziert genug, wenn es beim Essen heißt: „der Weizen und das Korn“, beim Trinken aber: „das Weizen und der Korn“! Mit dem ungarischen Artikel „a“, für der, die und das verhält sich das viel einfacher.
Das kann aber auch zu Irritationen führen, wenn bei einem umfangreicheren Text lange unklar ist, welchen Geschlechts eine handelnde Person ist. Da denkt man seitenweise, es geht um einen Mann, erfährt dann aber im letzten Absatz, dass dieser Júlia heißt.
Nichts Überflüssiges
Dafür ist das Ungarische sehr rational: Unwichtiges wird weggelassen und viele eigenständige Wörter werden durch angehängte Suffixe eingespart. Ein deutscher Text verliert bei der Übersetzung ins Ungarische bis zu einem Fünftel seines ursprünglichen Umfangs und umgekehrt.
So werden aus den vier Wörtern und einem Artikel im Satz „Hétfőn Budapestre utazom az autómmal.“, im Deutschen gleich mal doppelt so viele Wörter: „Am Montag fahre ich mit meinem Auto nach Budapest.“ Im Ungarischen wird also nicht so viel Überflüssiges gesagt wie im Deutschen. Die gewonnene Zeit könnte zum Beispiel genutzt werden, um besser über das eigene oder das Gesagte des Gegenübers nachzudenken.
Der Autor ist Diplom-Physiker, machte dann aber die Musik und die Liebe zur Sprache zu seinem Beruf und wurde Kabarettist. In den vergangenen 40 Jahren stand er mehr als 6.000 Mal auf der Bühne und war in zahlreichen Fernsehsendungen zu Gast. Nebenbei schrieb er sechs Bücher. Seit 2020 lebt er mit seiner Frau in der Nähe des Balaton. Mehr zu Detlev Schönauer finden Sie in diesem BZ-Interview.
2 Möglichkeiten sein ungarisch zu verbessern:
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